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Gemeinsam einsam.

New-Healing Festival Tempel Abend.

15. Januar 2023

- New-Healing Festival Tempeldorf August 2022 -

Für den heutigen großen Tempelabend stehen vier Zelte bereit, jedes davon beinhaltet einen heiligen Raum, in dem Intimität auf eine heilsame Art und Weise eingeladen wird.

Es ist ein warmer Sommerabend und 120 Menschen sitzen mit mir in einem aus mehreren Kreisen bestehendem großen Kreis draußen auf einer Wiese. In ihrer Mitte befinden sich viele kleine Kerzen, deren Schein die Gesichter derer erhellt, die ihnen nahe sitzen. Wir alle lauschen den Worten eines recht großen Mannes, der abseits des Kreises zusammen mit einer Frau steht. Wie viele heute Abend sind sie dem Anlass entsprechend besonders gekleidet und tragen anmutig bestickte schwarze Kimonos aus fließender Seide.

Mit ruhiger, doch klarer Stimme spricht er in ein schwarzes Mikrofon, während sein Blick dabei von einem Augenpaar zum nächsten wandert, sodass er jedes Wort direkt an jemanden wendet.

Er deutet auf ein großes aus schönen Stoffen gespanntes rechteckiges Zelt und spricht darüber, was es brauch, damit wirklich nährende Verbindung zu sich und anderen entstehen kann. Die Verbindung zwischen Spiel und Intimität und welche heilsame Wirkung sie haben kann.

“Sein Finger wandert weiter und die Menge folgt ihm, bis zu erkennen ist, wohin er deutet. Zu sehen ist ein rundes, mit hellen Stoffen bespanntes Zelt, aus dem gedämpft, warme und gefühlvolle Klänge tönen. Ein geheimnisvoller, rötlicher Schimmer um schwebt es.

Hier steht vor allem die Herzebene und im Vordergrund, um echte Intimität und Nähe entstehen lassen zu können. Die Versammelten folgen wieder mit ihren Blicken seiner ausgestreckten Hand, die nun auf ein großes, schönes und recht gemütlich wirkendes Zelt deutet.

Dieses dritte Zelt, bietet Raum um sich auszutauschen und viel leckeren Chaitee zu trinken. Sein Kopf dreht sich ein Stück und sein Blick ruht jetzt auf dem vierten und letzten Zelt. 120 weitere Köpfe tun es ihm gleich. Alle Blicke ruhen auf einem mittelgroßen Zelt, das an eine Art Höhle erinnert, die Ruhe und Geborgenheit ausstrahlt.

Hier befindet sich ein Raum, in dem Trauer und Einsamkeit wilkommen sind. Ein offener Raum zu fühlen, was da ist. Egal ob an diesem Abend ausgelöst oder schon länger spürbar. Wie in allen anderen Zelten auch ist es möglich hier nur für sich zu sein oder bei und mit anderen Halt zu finden.

Jeder der vier Räume wird von einem Menschen aus dem Team eröffnet und ununterbrochen durch mehrere aus dem Team gehalten. Das Team befindet sich jetzt schon in diesen Eröffnungskreis.

Um die vierzig Menschen erheben sich.

Außer dem Chaizelt sind alle Räume nonverbal. Als Voraussetzung an diesem Tempelabend teilzunehmen, mussten in den Tagen zuvor alle an ausführliche Consent-Workshops teilnehmen, in denen geübt wurde für die eigenen Grenzen einzustehen und Bedürfnisse klar zu kommunizieren.

Die Einladung mutig Grenzen zu setzten und für das, was einem wichtig ist, zu gehen wurde immer wieder ausgesprochen.

Nachdem der Eröffnungskreis abgeschlossen ist, wendet sich mein Blick zu dem höhlenartigen Zelt, das den Namen „Trauer Tempel“ trägt. Es zieht mich wie magisch an.

Ich spüre in mir eine wohlvertraute Einsamkeit, der Schmerz meiner größten Wunde. In den letzten Jahren habe ich eins gelernt: In der immer bewussteren und liebevolleren Begegnung mit ihr liegt meine größte Kraft und Ressource.

Während sich meine Füße in Richtung Zelteingang in Bewegung setzen, spüre ich eine Neugier, aber auch ein wenig Hemmung.

Was wird mich hier erwarten?

Der ruhige, wortlose und kraftspendende Gesang einer Frauenstimme, getragen durch das langsame und gedämpfte Schlagen einer Trommel, dringt an meine Ohren. Als ich mich der Zeltwand nähere, höre ich noch etwas anderes. Das Weinen und leise Schluchzen mehrerer Menschen. Als ich durch den Zelteingang trete, überkommt mich das Gefühl, an einem heiligen Ort angekommen zu sein. Gedämpftes Licht und die erdfarbenen Wände als auch die vielen am Boden aneinander gereihten Matratzen erinnern tatsächliche an eine warme und geborgene Höhle.

Hier sitzen und liegen mehrere Menschen. Manche für sich alleine, andere zu zweit. In der Mitte vor einem kleinen Altar spielt die Wächterin dieser weichen Höhle auf ihrer Trommel und tönt dazu. Mehrere Menschen aus unserem Team halten den Trauernden ihre Hände oder Füße oder unterstützen den Raum einfach und alleine durch ihre Präsenz. Ich sehe eine freie Matratze und rolle mich auf ihr zusammen. Nur manche der Menschen hier weinen, einige sitzen oder liegen auch einfach nur still da, viele von ihnen mit geschlossenen Augen. Ich schließe meine Augen ebenfalls und lege eine Hand auf mein Herz, die andere auf meinen Bauch. Meine Innenwahrnehmung bekommt mehr Aufmerksamkeit und die Einsamkeit in mir wird dadurch spürbarer für mich. Ein junger Teil in mir, der sich immer noch in Gefahr fühlt.

Und dann bemerke ich, da sind noch andere hier, denen es ähnlich geht. Andere, die sich einsam fühlen und traurig sind. Schon fühlt sich der einsame junge Teil in mir weniger in Gefahr. Hier gemeinsam mit anderen einsam oder traurig zu sein, schafft ein Stück mehr Sicherheit und Geborgenheit.

Im Gegensatz zu anderen Räumen, in denen ich mich bisher einsam gefühlt habe, entsteht hier das Gefühl im mir „normal“ zu sein. Einer von vielen. Das ist für mich in dieser Intensität eine neue Erfahrung, besonders in einem Setting von Intimität und Körperlichkeit. Im Laufe der kommenden neunzig Minuten beruhige ich mich immer mehr und als ich das Zelt wieder verlasse, fühle ich mich sehr mit mir und meinem Körper und dieser Welt verbunden.

Am folgenden Tag blicke ich mit manchen auf den Abend zurück. Eins ist uns allen klar. Die Qualität eines solchen Raumes ist unheimlich kostbar und braucht es noch viel mehr in Zukunft. Denn er ist die Basis für alles Andere. Ein Raum um sich zu erden und zu verbinden ist die Basis für die Art von Verbundenheit, die uns nachhaltig trägt und belebt.

Nährende Intimität. Was gibt es Schöneres.

Die Botschaft:

Gemeinsam einsam ist heilsam.